Auch Radler müssen an Haltestelle langsam fahren
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Fahrradfahrerin kollidiert mit austeigendem Busfahrgast und verletzt dabei eine Kardinalpflicht
der Straßenverkehrsordnung: Wer an einer Bushaltestelle vorbeiradelt, muss auf die aussteigenden Fahrgäste Rücksicht nehmen, sonst kommt ein Mitverschulden von 80 % in Betracht.
Eine Radfahrerin war auf einem gekennzeichneten Radweg unterwegs, als ein Bus am Straßenrand hielt und die Fahrgäste ausstiegen. Der Ausstiegsbereich beträgt dort etwa 3m, der Radweg führt daran vorbei. Trotzdem kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Aussteigenden. Die Radfahrerin stürzte und verletzte sich an der Lendenwirbelsäule. Daraufhin verklagte die Radfahrerin den Fahrgast auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Das Kammergericht Berlin entschied, dass das Hauptverschulden bei der Fahrradfahrerin lag, obwohl auch ein Busfahrgast beim Aussteigen auf den Fahrradverkehr achten muss.
Eine Radfahrerin darf aber nur dann am haltenden Bus vorbeifahren, wenn jegliche Gefährdung der Fahrgäste ausgeschlossen ist. Dabei ist nach der Straßenverkehrsordnung nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt. Kann der Radler eine Gefährdung nicht ausschließen, muss er warten.
Auch wenn dem Gericht zufolge der aussteigende Fahrgast unaufmerksam war, missachtete die Radfahrerin eine der "Kardinalpflichten" des Straßenverkehrs: Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass niemand geschädigt oder behindert wird. Diese Missachtung eine der grundlegenden Verkehrsregeln wiegt deutlich schwerer als das unaufmerksame Verhalten des aussteigenden Fahrgasts. Ein Mitverschulden des Fahrgasts ist damit nur mit 20 % zu bewerten, während der Radfahrerin 80 % anzurechnen sind (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.1.2015, 29 U 18/14 ).