Fahrradfahrer dürfen viel – aber nicht alles
Auch Verkehrsverstöße der Radfahrer werden mit Verwarnungsgeldern und Geldbußen geahndet. Welche Sünde Sie wieviel kostet, entnehmen Sie unserer Übersicht.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten Sie die wichtigsten Verkehrsregeln und die richtige Fahrradausstattung kennen. Vorschriften gelten auch für die Mitnahme von Tieren und Personen.
Was ist ein Fahrrad – und was nicht?
In der Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt es keine einheitliche Definition für Fahrräder. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Fahrrad ein zweirädriges einspuriges Fahrzeug, das mit Muskelkraft, insbesondere mithilfe von Pedalen oder Handkurbeln, angetrieben wird. Neben dem Standardfahrrad fallen hierunter auch Liegeräder, Tandems oder Lastenräder. Letztere dürfen auch dreirädrig sein.
Keine Fahrräder im Sinne der Straßenverkehrsordnung sind beispielsweise Tretroller, Inlineskates und Skateboards, sogenannte »besondere Fortbewegungsmittel« nach § 24 StVO . Ebenfalls nicht als Fahrräder gelten motorisierte Fahrzeuge wie E-Scooter, Segways und Hoverboards sowie E-Bikes und Pedelecs, sofern sie Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 25 km/h erreichen und somit als Kraftfahrzeuge einzuordnen sind.
Mit dem Rad unterwegs – wo dürfen Sie fahren?
Gekennzeichnete Radwege müssen Sie nutzen
Als Radfahrer sind Sie im Straßenverkehr zwar flexibel und umweltbewusst unterwegs, aber leider auch das schwächste Glied der Kette. Sie haben kein Blech um sich herum wie Autofahrer und sind weder so schnell noch so gut gepolstert wie Motorradfahrer. Schon deshalb sollten Sie alle wichtigen Verkehrsregeln kennen und beachten.
Die vielleicht wichtigste Regel lautet deshalb: Wenn ein Radweg vorhanden ist, müssen Sie ihn nutzen, sofern der Radweg entsprechend gekennzeichnet ist. Die Radwegebenutzungspflicht gilt dabei auch für kombinierte Geh- und Radwege.
Wird der Radweg durch andere Verkehrsteilnehmer blockiert, kann es richtig teuer werden. Halten oder parken Autos unrechtmäßig auf Geh- bzw. Radwegen, wird dafür ein Bußgeld von € 55,– fällig. Werden Sie als Radler dadurch behindert und müssen kurzzeitig auf die Straße ausweichen, steigen die Sanktionen auf € 70,– und einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg.
Beachten Sie: Verlassen Sie als Radfahrer den Radweg und wechseln auf die Straße, treffen Sie erhöhte Sorgfaltspflichten ( LG Frankenthal, Urteil vom 24.11.2010, 2 S 193/10 ). Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Sie für einen Unfall allein haften.
Beispiel:
Ein Radfahrer weicht auf die Straße aus, da der Radweg wegen heruntergefallener Zweige nicht befahrbar war. Als ihn ein Lkw überholt, kollidiert der Radfahrer mit einem am Fahrbahnrand ordnungsgemäß geparkten Pkw. Hier haftet der Radfahrer für den Schaden an dem geparkten Wagen, da er den vorhandenen Radweg nicht nutzte (LG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018, 323 O 79/18).
Die Pflicht, einen vorhandenen Radweg zu nutzen, gilt nicht nur für »normale« Fahrräder, sondern beispielweise auch für Renn- oder Liegeräder (BVerwG, Beschluss vom 31.1.2001, 3 B 183/00).
Eine Ausnahme gibt es für größere Gruppen: Geschlossene Verbände von mindestens 16 Radfahrern dürfen die Straße auch dann zu zweit nebeneinander befahren, wenn ein benutzungspflichtiger Radweg vorhanden ist. Denn in der Regel sind Radwege nicht breit genug, um von einem Verband befahren zu werden. Außerdem könnte man eine so große Gruppe, die hintereinander fährt, nicht überholen, ohne gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen.
Wenn Der Radweg nicht befahrbar ist
Können Sie einen an sich benutzungspflichtigen Radweg überhaupt nicht nutzen, weil er beispielsweise vereist, zugeparkt oder für Ihr spezielles Fahrrad zu schmal ist (z.B. sind Sie mit einem Dreirad oder mit einem Anhänger unterwegs), dürfen Sie ausnahmsweise auf die Straße ausweichen ( OLG Naumburg, Urteil vom 8.12.2011, 1 U 74/11 ). Das Gleiche gilt, wenn Sie ein Hindernis umfahren oder die Straßenseite wechseln wollen. Weichen Sie auf die Straße aus, müssen Sie allerdings besondere Sorgfalt walten lassen.
Vor Gefahrenstellen auf Radwegen muss durch Gefahrzeichen gewarnt werden, damit sich der Radfahrer darauf einstellen kann ( BGH, Urteil vom 13.7.1989, III ZR 122/88 ).
Beispiel:
Fehlt ein solcher Hinweis und stürzt ein Radfahrer an einer gefährlichen Stelle, kann grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde ( KG Berlin, Urteil vom 16.7.2010, 9 U 103/09 ) oder auch Privatpersonen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.7.2019, 14 U 60/16) bestehen.
Den Gehweg dürfen Sie hingegen auch in diesen Fällen nicht benutzen ( OLG Naumburg, Urteil vom 8.12.2011, 1 U 74/11 ).
Beachten Sie: Fahren Sie trotz vorhandenem, befahrbarem Radweg lieber auf der Straße und erleiden dort einen Unfall, bekommen Sie deutlich weniger oder sogar gar keinen Schadensersatz, selbst wenn Sie eigentlich keine Schuld an dem Unfall haben. Im Zweifel sollten Sie deshalb stets den Radweg nutzen.
Zweifel sollten Sie deshalb stets den Radweg nutzen.
Beispiel:
Ein Rennradfahrer rutschte auf einer Ölspur aus und erhielt nur 50 % Schadensersatz, weil die Radwegebenutzungspflicht den Schutzzweck hat, Radfahrer unter anderem vor Gefahren wie Ölspuren auf der allgemeinen Fahrbahn zu schützen ( OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 28.10.2011, 24 U 134/11 ).
Manche Radwege müssen Sie nicht benutzen
Ein Weg, der nicht durch ein blaues Schild gekennzeichnet ist, seiner Gestaltung nach aber eindeutig für die Benutzung durch Radfahrer bestimmt ist, gilt als Radweg und darf als solcher genutzt werden, muss aber nicht ( VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 28.3.2017, 3 L 282/17.NW).
Ohne Radweg müssen Sie auf der Straße fahren
Wenn kein Radweg vorhanden ist, müssen Erwachsene auf die Straße ausweichen. Gehwege dürfen auch in diesem Fall nur Kinder bis zehn Jahre sowie gegebenenfalls eine Begleitperson benutzen.
Kommt es auf dem Gehweg zu einem Zusammenstoß mit einem Fußgänger, tragen Sie als Radfahrer in aller Regel die Hauptschuld. Gleiches gilt, wenn Sie auf dem Gehweg unterwegs sind und dort mit einem Fahrzeug kollidieren, das langsam aus einer Grundstücksausfahrt heraus- oder hereinfährt ( LG Dessau, Urteil vom 19.8.2005, 1 S 79/05 ).
Auch für erlaubterweise auf dem Gehweg radelnde Kinder mit ihren Begleitpersonen gilt: Wer auf dem Gehweg fährt, hat Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen und muss absteigen, wenn es eng wird.
Beachten Sie: Eine Haftung des Radfahrers kann jedoch dann entfallen bzw. geringer ausfallen, wenn der Fußgänger außerhalb des Bürgersteiges unterwegs ist oder der Autofahrer zu schnell unterwegs ist und so seine eigenen Sorgfaltspflichten missachtet.
Beispiel:
- Ein Fußgänger, der den Bürgersteig verlässt und die Fahrbahn jenseits einer Ampel betritt, ist zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Kommt es hier zu einem Unfall mit einem Radfahrer, muss der Fußgänger beweisen, dass der Radler zu schnell war oder der Unfall bei einer niedrigeren Geschwindigkeit vermieden worden wäre (OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.11.2011, 4 U 3/11-2).
- Fußgänger müssen auch dann auf Radfahrer Rücksicht nehmen, wenn ein farblich markierter Radweg um eine Ampel herumführt und Fußgänger diesen überqueren müssen (OLG Hamm, Urteil vom 19.1.2018, I-26 U 53/17).
Beachten Sie: Sie dürfen Fußgängerüberwege zur Überquerung der Fahrbahn nur dann mitbenutzen, wenn Sie Ihr Rad schieben.
Diese Radwege gibt es
Sonderweg Radfahrer (Zeichen 237)
Ein reiner Radweg darf nur von Radlern befahren werden. Überquerende Fußgänger müssen hier aufpassen. Wenn der Radweg aber beispielsweise wegen großer Schlaglöcher unzumutbar ist, darf auf die Straße ausgewichen werden.
Getrennter Rad-/Fußweg (Zeichen 241)
Immer häufiger findet man auch kombinierte Rad-/Gehwege, bei denen die beiden Spuren durch eine durchgezogene weiße Linie voneinander getrennt sind. Hier haben sich Radfahrer und Fußgänger gegenseitig aufeinander einzustellen und entsprechend Rücksicht zu nehmen. Das heißt, ein Fußgänger haftet für Schäden des Radfahrers, wenn er den Radweg unaufmerksam überquert und es dadurch zu einer Kollision kommt. Gegenüber Kindern und älteren Menschen ist besondere Rücksichtnahme geboten.
Gemeinsamer Fuß-/Radweg (Zeichen 240)
Wenn es nicht zwei getrennte Spuren, sondern nur eine gemeinsame für Radfahrer und Fußgänger gibt, haben Letztere als die schwächeren Verkehrsteilnehmer gegenüber Radfahrern Vorrang. Das heißt, sie dürfen darauf vertrauen, dass Sie sich als Radfahrer rechtzeitig durch Klingelzeichen bemerkbar machen. Fußgänger müssen Sie dann auch passieren lassen, indem sie gegebenenfalls zur Seite treten (OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.3.2004, 8 U 19/04).
Als Radfahrer haben Sie die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insofern erhöhte Sorgfaltspflichten. Insbesondere bei einer unklaren Verkehrslage müssen Sie gegebenenfalls per Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger suchen. Soweit erforderlich, müssen Sie Schrittgeschwindigkeit fahren, damit ein sofortiges Anhalten möglich ist.
Auf betagte oder unachtsame Fußgänger haben Sie als Radfahrer besondere Rücksicht zu nehmen.
Beispiel:
Mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen ist stets zu rechnen ( OLG Celle, Beschluss vom 19.8.2019, 14 U 141/19 ).
Ein Fußgänger hat beim Überschreiten eines Radwegs dieselben Sorgfaltspflichten wie beim Überschreiten einer Fahrbahn.
Beispiel:
Ein Fußgänger muss sich vergewissern, ob der Weg gefahrlos für sich und andere betreten werden kann (OLG Celle, Urteil vom 20.11.2018, 14 U 102/18).
Kommen Sie als Radfahrer auf einem solchen Weg zu Fall, weil trotz Glatteis nicht gestreut worden ist, haben auch Sie einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die streupflichtige Gemeinde. Selbst wenn der Schutz der Fußgänger im Vordergrund steht, stehen Ihnen als Radler nicht weniger Rechte zu, als wenn Sie zu Fuß unterwegs wären ( BGH, Urteil vom 9.10.2003, III ZR 8/03 ).
Auf Fahrradstraßen haben Radler Vorrang
Reine Fahrradstraßen sind gekennzeichnet durch das runde blaue Fahrradweg-Symbol , das auf einem quadratischen weißen Schild abgebildet ist. Direkt unter dem Schild prangt der Schriftzug »Fahrradstraße« (Zeichen Nr. 244).
Fahrradstraßen sind grundsätzlich für Kraftfahrzeuge gesperrt. Autos, Motorräder und Lastwagen dürfen dort nur fahren, wenn ein Zusatzschild das erlaubt. Das Gleiche gilt für Fußgänger, Rollerfahrer oder Inline-Skater.
Radler haben auf Fahrradstraßen Vorrang und dürfen beispielsweise nebeneinander fahren. Das Rechtsfahrgebot gilt allerdings auch dort. Will ein Autofahrer überholen, muss er mindestens 1,5 m Abstand zu den Radfahrern halten.
In Fahrradstraßen gilt für alle Verkehrsteilnehmer eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h – also für Fahrräder ebenso wie gegebenenfalls für Autos. In der Regel können Fahrradstraßen in beiden Richtungen benutzt werden. An Kreuzungen und Einmündungen gelten die üblichen Vorfahrtsregeln wie »rechts vor links«.
Beispiel:
Ein Autofahrer, der von rechts auf die (für Autos freigegebene) Fahrradstraße einbiegt, hat Vorfahrt – sofern die Fahrradstraße keine Vorfahrtsstraße ist.
Fahrradzonen (Zeichen 244.3)
Kommunen haben die Möglichkeit, spezielle Fahrradzonen einzurichten. Darin sind grundsätzlich nur Radfahrer erlaubt. Ausnahmsweise kann die Zone durch ein Zusatzschild auch für andere Verkehrsteilnehmer freigegeben werden. Hier herrscht eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
Radschnellweg (Zeichen 350.1)
Bei Radschnellwegen handelt es sich um Fahrbahnen, die ein schnelles und sicheres Befahren durch Radfahrer über größere Entfernungen ermöglichen sollen. Daher werden sie auch als »Autobahnen für Radfahrer« bezeichnet.
Radschnellwege gewähren Fahrrädern Vorfahrt an Kreuzungen und sind sowohl vom Fußgänger- als auch vom motorisierten Verkehr getrennt. Die Benutzung ist für alle Fahrzeuge außer Fahrrädern und Elektrokleinstfahrzeugen (z.B. E-Scooter oder Segways) verboten.
Hier dürfen Kinder fahren
Kinder unter zehn Jahren dürfen auf dem Gehweg fahren
Im Straßenverkehr sind Kinder besonders geschützt. Deshalb dürfen Kinder unter zehn Jahren auf dem Gehweg fahren, bis zu ihrem 8. Geburtstag müssen sie es sogar. Sie dürfen dabei von einem älteren Radler (ab 16 Jahren) auf dem Gehweg begleitet werden. Wollen sie eine Straße queren, müssen beide absteigen und ihr Fahrrad schieben. Sind mehrere Erwachsene mit dem Kind unterwegs, darf nur einer das Kind begleiten, die übrigen müssen auf der Straße bleiben.
Beachten Sie: E-Bikes und Pedelecs dürfen auch als Begleitung kleiner Kinder nicht auf dem Gehweg fahren. Fußgänger haben auf dem Gehweg absoluten Vorrang. Es gilt also, vorsichtig und nicht zu schnell zu fahren.
Ausnahmsweise dürfen Kinder unter acht Jahren auf der Straße fahren
Gibt es weder Geh- noch Radweg, dürfen Kinder die Fahrbahn benutzen, und zwar auch dann, wenn auf der anderen Straßenseite ein Rad- oder Gehweg vorhanden ist, dazu aber die Fahrbahn überquert werden müsste.
Kinder unter acht Jahren dürfen nur baulich abgeteilte Radwege nutzen
Radwege, die baulich von der Fahrbahn getrennt sind (z.B. durch einen Bordstein), dürfen auch von unter 8-Jährigen genutzt werden. Radwege auf der Fahrbahn dürfen dagegen erst mit acht Jahren befahren werden.
Wer haftet, wenn etwas passiert?
Kinder unter zehn Jahren sind im Straßenverkehr privilegiert
Um der kindlichen Entwicklung besonders Rechnung zu tragen, sieht das Gesetz für 7- bis 10-Jährige eine Begrenzung der Haftung bei Unfällen mit einem (fahrenden) Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn vor.
Dieses »Haftungsprivileg« ist auf Situationen mit den genannten Fahrzeugen beschränkt und gilt in der Regel weder für den ruhenden Verkehr noch bei Unfällen beispielsweise mit anderen Radfahrern oder Fußgängern.
Beispiel:
Wenn das Kind zum Beispiel ein parkendes Fahrzeug beschädigt, gelten ebenfalls die allgemeinen Vorschriften (BGH, Urteil vom 30.1.2004, VI ZR 365/03).
Beachten Sie: Stoppt das betreffende Fahrzeug nur verkehrsbedingt, etwa vor einer roten Ampel (BGH, Urteil vom 17.4.2007, VI ZR 109/063), gilt das Haftungsprivileg. Ähnliches gilt bei Unfällen mit verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugen mit geöffneten Türen ( BGH, Urteil vom 11.3.2008, VI ZR 75/07 ). Denn auch hier verwirklichen sich in der Regel die Gefahren des motorisierten Verkehrs, obwohl das Auto steht.
Bei Unfällen mit Radfahrern und Fußgängern gelten die allgemeinen Vorschriften
Kommt auf dem Gehweg ein Fußgänger durch ein Rad fahrendes Kind zu Schaden, haftet das Kind nach den allgemeinen Vorschriften. Das bedeutet konkret: Kinder unter sieben Jahren haften nie, ältere Kinder haften nach ihrer Einsichtsfähigkeit.
Vorsätzliches Handeln wird nicht privilegiert
Allerdings wird von den Gerichten Kindern in dieser Altersklasse nur selten unterstellt, dass sie jemanden absichtlich geschädigt haben oder mögliche Folgen absehen konnten und trotzdem so handelten.
Beispiel:
• So greift das Haftungsprivileg sogar in aller Regel dann, wenn ein Kind gar nicht radelt, sondern sein Fahrrad schiebt und dabei frei rollen lässt und so ein Fahrzeug beschädigt ( BGH, Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 42/07 ).
• Ein 9-Jähriger war mit einem Fahrrad ohne Bremsen auf der Straße unterwegs und fuhr »ungebremst« in ein Auto. Die Richter bewerteten das Fahren ohne Bremsvorrichtung nicht als vorsätzlich, sondern als typisch leichtsinnig für ein Kind in diesem Alter. Damit konnte der Junge gemäß § 828 Abs. 2 BGB nicht zur Haftung herangezogen werden ( OLG Köln, Beschluss vom 2.4.2007, 24 W 13/07 ).
Wann haften die Eltern?
Neben der Frage, ob das betreffende Kind selbst für sein Handeln verantwortlich gemacht werden kann, ist auch die Verantwortung der Eltern zu klären. Diese haften regelmäßig dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzen. Wie weit die Aufsichtspflicht geht, ist immer abhängig von der Situation und dem Alter des Kindes.
Bei Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, die in der Regel den Schulweg allein zurücklegen, genügt es, dass die Eltern sich über das Verhalten ihrer Kinder einen Überblick verschaffen, sofern nicht konkreter Anlass zu besonderer Aufsicht besteht.
Beispiel:
- Ein 8-jähriges Kind, das hinreichend sicher Fahrrad fahren kann und ausreichend über die Verkehrsregeln unterrichtet wurde, kann auch ohne Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen. Insofern haften die Eltern hier nicht für den Schaden, der durch einen Unfall ihres Kindes ensteht, das auf seinem Fahrrad mit einem Auto zusammenstößt (LG Osnabrück, Urteil vom 28.2.2019, 4 S 172/18).
- Zwei Kinder, sechs und sieben Jahre alt, touchierten bei einem »Wettrennen« mit dem Rad zum Spielplatz mehrere Fahrzeuge, wobei ein Schaden von fast € 8.000,– entstand. Die Eltern mussten für den Schaden nicht aufkommen. Ihnen konnte kein Aufsichtsverschulden zur Last gelegt werden. Die Kinder kannten die Begebenheiten vor Ort und waren im Rahmen der Verkehrserziehung in Kindergarten und Schule über die richtigen Verhaltensweisen aufgeklärt worden. Eine ständige Beobachtung kann in dieser Altersklasse nicht mehr erwartet werden (LG Koblenz, Beschluss vom 7.2.2018, 13 S 2/18).
- Auch ein 5-jähriges in einer Spielstraße radelndes Kind muss nicht so eng überwacht werden, dass der Aufsichtspflichtige jederzeit eingreifen kann (AG Mönchengladbach, Urteil vom 2.2.2012, 11 C 106/11).
Kinder über zehn Jahren haften nach ihrer Einsichtsfähigkeit
Auch wenn Kinder mit Überschreiten des 10. Lebensjahres nicht mehr unter das gesetzlich verankerte Haftungsprivileg fallen, trifft bei einem Unfall mit einem Auto in der Regel den Kfz-Fahrer ein überwiegendes, wenn nicht gar alleiniges Verschulden. Denn Autofahrer dürfen generell nicht darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer, und ganz besonders Kinder, vorschriftsmäßig verhalten. Angemessene Geschwindigkeit sowie ständige Bremsbereitschaft sind in Gegenwart von Kindern Pflicht.
Bei schweren Verkehrsverstößen seitens eines älteren Kindes kann es aber ausnahmsweise auch mal anders aussehen.
Beispiel:
Wenn ein 13-jähriges Kind die Straße trotz roter Ampel überquert, kann es bei einem Unfall mit einem Auto für den dadurch entstandenen Schaden voll haftbar gemacht werden ( AG Gießen, Urteil vom 14.8.2012, 49 C 147/12 ).
• Auch ein 14-Jähriger, der regelmäßig mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen hat, ist für sein Verhalten als verantwortlich anzusehen (LG Dortmund, Urteil vom 19.2.2015, 21 O 148/14).
Weil Schadensersatzverpflichtungen finanziell sehr belastend sein können, ist eine Privathaftpflichtversicherung sehr empfehlenswert. Diese tritt auch bei grob fahrlässig verursachten Schäden ein. Die Privathaftpflichtversicherung ist eine echte Familienversicherung, das heißt, dass Ehepartner und minderjährige Kinder ohne Beitragszuschlag voll mitversichert sind.
Unterwegs auf speziellen Wegen
Feld- und Waldwege sind grundsätzlich tabu
Feld- und Waldwege sind normalerweise für Fahrzeuge aller Art gesperrt (Zeichen 250), mit Ausnahme von landwirtschaftlichem- und/oder forstwirtschaftlichem Verkehr. Auch als Radfahrer dürfen Sie hier nur fahren, wenn es durch das Zusatzzeichen »Radfahrer frei« ausdrücklich gestattet ist.
Die Gemeinde haftet jedoch in keinem Fall für Schäden, die hier wegen schlechter Straßenqualität entstehen können. Das Gleiche gilt für Naturradwege, die zum Teil mit Rollsplitt belegt sind. Hier müssen Sie umso mehr aufpassen. Vor Schranken oder Ketten, die den Autoverkehr unterbinden sollen, muss allerdings rechtzeitig gewarnt werden, etwa durch eine entsprechende Beschilderung.
Radeln Sie durch Wald und Wiesen, müssen Sie nicht nur auf plötzlich den Weg querende Waldtiere (z.B. Hasen oder Rehe), sondern auch auf frei laufende Hunde gefasst sein. Stürzen Sie, weil Sie z.B. erschrecken und zu stark abbremsen, haben Sie in aller Regel keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Halter des Tiers. Denn in der freien Natur müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen auch mal ein frei laufender Hund entgegenkommt.
Auf Gefahrenstellen muss durch Gefahrzeichen hingewiesen werden, damit sich der Radfahrer darauf einstellen kann.
Beispiel:
Gerät ein Radfahrer in einen quer über den Feldweg gespannten, ungekennzeichneten Stacheldraht, so muss er damit nicht rechnen. Er kann daher Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen, ohne dass ihm ein Mitverschulden angerechnet wird ( BGH, Urteile vom 23.4.2020, III ZR 250/17 und III ZR 251/17).
Fußgängerzonen: Meist nichts für Radler
In Fußgängerzonen haben Sie als Radfahrer grundsätzlich »nichts zu suchen«, es sei denn, sie ist auch für Radler freigegeben oder Sie schieben Ihr Rad. Beachten Sie: Fährt hier ein Fahrradfahrer zum Beispiel bei Dunkelheit gegen Absperrketten, die für Fußgänger erkennbar sind, hat er das Nachsehen, trägt den Schaden also allein ( OLG Jena, Urteil vom 10.11.2004, 4 U 432/04 ).
Wenn in Fußgängerzonen der Radfahrverkehr zugelassen ist, muss Schrittgeschwindigkeit (ca. 4 km/h bis 6 km/h) eingehalten werden, sodass Fußgänger nicht gefährdet werden. Bisweilen sind auch farblich markierte Sonderfahrspuren für Radfahrer vorhanden. Fußgänger müssen sich hier entsprechend auf Radverkehr einstellen.
Vorsicht in verkehrsberuhigten Bereichen
Auf diesen sogenannten »Mischflächen« dürfen auch Fahrräder fahren, allerdings nur mit Schrittgeschwindigkeit . Fußgänger haben auch hier Vorrang.
Insbesondere in »Spielstraßen« müssen Autofahrer mit unbeaufsichtigt herumfahrenden und spielenden Kindern rechnen. Kollidiert ein Kfz-Fahrer hier mit einem unter 10-jährigen Kind auf einem Fahrrad, haftet es nicht für etwaige Schäden.
Manchmal dürfen Sie die Busspur nutzen
Radfahrer dürfen eine Busspur nur dann mitbenutzen, wenn es ein Radfahrer frei«-Schild gestattet. Sie sollten dann rechts fahren, den Bus nicht behindern und auf ein- und aussteigende Fahrgäste Rücksicht nehmen.
Das Benutzen der Busspur entgegen der Fahrtrichtung ist jedoch in jedem Fall untersagt, dies stellt sogar eine grobe Verkehrswidrigkeit dar.
Beispiel:
Eine Radfahrerin war mitten auf der Busspur als »Geisterradfahrerin« unterwegs, stieß dort mit einem Kfz zusammen, das aus einer Grundstücksausfahrt kam, und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Schadensersatzklage der Frau blieb erfolglos. Denn das leichte Verschulden der aus der Grundstücksausfahrt ausfahrenden Kraftfahrerin tritt gegenüber dem grob verkehrswidrigen Verhalten der Radfahrerin vollständig zurück ( OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 5.6.2012, 4 U 88/11).
Auch Radler müssen sich an Verkehrsregeln halten
Die richtige Richtung muss es sein
Das Rechtsfahrgebot gilt auch für Radwege
Auf deutschen Straßen herrscht das Rechtsfahrgebot – das gilt auch für Radfahrer und auch auf Radwegen. In aller Regel müssen Sie daher auch die rechts verlaufenden Radwege benutzen. Gegen die Fahrtrichtung dürfen Sie nur fahren, wenn dies durch ein entsprechendes Verkehrszeichen (Sonderweg Radfahrer; Zeichen 237) ausdrücklich gestattet ist. Auch auf dem Radweg selbst gilt das Rechtsfahrgebot. So haftet ein falsch fahrender Radler allein, wenn er einen anderen Radler durch seine Geisterfahrt zum Sturz bringt.
Wenn Sie zulässigerweise auf einem Radweg gegen die Fahrtrichtung fahren, müssen Sie die Seite nicht wechseln, wenn dort ein zusätzlicher Radweg beginnt – es sei denn, Sie werden durch die Verkehrsführung ausdrücklich auf den anderen Radweg umgelenkt.
Auch auf Radwegen, die gegen die Fahrtrichtung führen, sind der Querverkehr und die Vorfahrtsregeln zu beachten. Wer beispielsweise aus einem verkehrsberuhigten Bereich kommt, muss sämtlichen Verkehrsteilnehmern, auch den »Geisterradfahrern«, Vorfahrt gewähren. Unter Umständen tragen diese jedoch eine Mitschuld.
Beispiel:
Das OLG Hamm sprach einer älteren Radfahrerin 2/3 des ihr entstandenen Schadens zu, obwohl sie den Radweg in der falschen Richtung, aber auf der bevorrechtigten Straße befahren hatte, als sie an einer Kreuzung mit einem 14-jährigen Radler zusammenstieß. Der Junge war aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg »geschossen«. Die ältere Dame stürzte und verletzte sich schwer ( OLG Hamm, Urteil vom 6.6.2014, 26 U 60/13 ).
Hindernisse umrunden
An Hindernissen dürfen Sie vorbeifahren (z.B. Mülltonnen, die nach der Leerung auf der Straße stehen), die Autos hinter Ihnen müssen im Zweifel entsprechend langsamer fahren und warten.
Einbahnstraßen
Einbahnstraßen dürfen grundsätzlich nicht in die entgegengesetzte Richtung befahren werden, selbst wenn dort ein Radweg vorhanden ist. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Einbahnstraße mit dem entsprechenden Verkehrsschild ausdrücklich für den Fahrradverkehr in der Gegenrichtung zugelassen ist.
Beispiel
In einer Einbahnstraße ist das Radfahren entgegen dem Verlauf der Einbahnstraße erlaubt, wenn unterhalb des Verkehrszeichens »Verbot der Einfahrt« (Zeichen 267) das Zusatzschild »Radverkehr frei« (Verkehrszeichen 1022-10) angebracht ist. Den Autofahrern wird diese Regelung oft angezeigt durch das Zusatzschild »Radverkehr von links und rechts« (Zusatzzeichen 1000-32) unterhalb des Einbahnstraßenschildes (Zeichen 220).
Beachten Sie unbedingt den Seitenabstand
Fahren Sie auf der Straße, sollten Sie stets ausreichenden Seitenabstand zum Fahrbahnrand einhalten (ca. 80 cm), bei einem Parkstreifen mindestens einen Meter. Dieser Sicherheitsabstand dient der Unfallvermeidung (z.B. durch das Öffnen von Türen geparkter Autos).
Nicht zu schnell fahren
Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autofahrer gelten auch für Radfahrer – in einer 30er-Zone sollten Sie also nicht mit Renngeschwindigkeit unterwegs sein. Auf kombinierten Rad-/Gehwegen ist prinzipiell Schrittgeschwindigkeit einzuhalten (ca. 4 km/h bis 6 km/h). Unabhängig von eventuellen Geschwindigkeitsbegrenzungen müssen Sie auch als Radfahrer stets mit der Verkehrssituation angepasster Geschwindigkeit fahren, d.h., Sie müssen Ihre Fahrweise den Wetter- und Wegever hältnissen anpassen. Gibt es viel Laub, Schlaglöcher oder sonstige Hindernisse, sollten Sie entsprechend vorsichtig fahren. Ansonsten kann man Ihnen bei einem Unfall unter Umständen ein Mitverschulden zusprechen.
Beispiel:
- Wenn ein Radfahrer bei Dunkelheit auf einem kombinierten Fuß-/Radweg mit batteriebetriebener Leuchte unterwegs ist, leuchtet diese nur eine Strecke von ca. 4 m in einer Breite von 1,50 m aus. Bei diesen stark eingeschränkten Lichtverhältnissen ist eine Geschwindigkeit von 20 km/h bis 25 km/h eindeutig zu hoch ( OLG Nürnberg, Urteil vom 7.4.2004, 4 U 644/04 ).
- Ein Radfahrer, der in »Rennradler-Haltung« über den Lenker gebeugt mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h eine innerörtliche Straße befährt und dort mit einem Fußgänger kollidiert, ist ebenfalls eindeutig zu schnell. Fußgänger müssen nicht damit rechnen, dass ein Fahrradfahrer mit Geschwindigkeiten daherkommt, wie sie normalerweise von motorisierten führerscheinpflichtigen Fahrzeugen erreicht werden.
- Ein Radler, der an einer Gruppe ins Gespräch vertiefter, teilweise auf der Fahrbahn stehender Jugendlicher mit hoher Geschwindigkeit so nah vorbeifährt, dass er durch eine unbedachte Bewegung einer der Jugendlichen zu Fall kommt, muss sich ebenfalls einen Mitverschuldensvorwurf gefallen lassen ( OLG Köln, Urteil vom 23.8.2000, 11 U 16/00 ).
Überholen und Abbegen - bitte vorsichtig
Überholen – immer mit Abstand
Zwischen Kraftfahrzeugen und Fahrradfahrern muss stets ein Abstand von mindestens 1,50 m (innerorts) bzw. 2 m (außerorts) eingehalten werden – auch bei geringer Geschwindigkeit.
Beispiel:
Außerorts darf ein Pkw einen Fahrradfahrer mit höherer Geschwindigkeit überholen, wenn die Fahrbahnbreite 6 bis 7 m beträgt und er zum Überholvorgang die Fahrspur insgesamt wechselt (LG Mühlhausen, Urteil vom 8.7.2003, 2 S 75/02). Wenn Sie als Radfahrer einen anderen Radfahrer überholen, ist ein geringerer Abstand ausreichend. Im Zweifel hilft hier ein Klingelzeichen, falls es eng werden sollte. Allerdings muss ein Radfahrer grundsätzlich mit Schwankungen in der Fahrlinie eines vorausfahrenden Radfahrers rechnen. Ist auf einem 2 m breiten Radweg ein Überholen mit ausreichendem Seitenabstand nicht möglich, muss im Zweifel vom Überholen abgesehen werden.
Beispiel:
(Überholen Sie mit dem Rad einen anderen Radfahrer mit einem Seitenabstand von 32 cm, ist das in der Regel zu gering ( OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.5.2016, 9 U 115/15 ).
Grundsätzlich muss links überholt werden. Als Radfahrer dürfen Sie ausnahmsweise die auf dem rechten Fahrstreifen wartenden Fahrzeuge mit mäßiger, der Situation angepasster Geschwindigkeit und großer Vorsicht rechts überholen.
Sie sollten es jedoch vermeiden, an Fahrzeugen auf einer Linksabbiegerspur rechts vorbeizufahren. Den dort befindlichen Fahrern ist es nicht zuzumuten, den Verkehrsraum rechts von ihrem Fahrzeug ständig zu überprüfen. Hier hätten Sie als Radfahrer bei einem Unfall schlechte Karten.
Beachten Sie: Wenn Sie an einer Reihe stehender Autos vorbeifahren, sollten Sie immer auf Fußgänger aufpassen, die sich an den Autos orientieren und nicht unbedingt mit schneller fahrenden Radlern rechnen – auch wenn Sie auf einem Radweg fahren. Kommt es hierbei zu einem Unfall, haben Sie als Radfahrer regelmäßig ein (hälftiges) Mitverschulden zu tragen.
Beispiel:
Überquert ein Fußgänger einen Radweg, um in einen Bus einzusteigen, muss er auf dort fahrende Radler aufpassen. Trotzdem sollten Sie als Radfahrer hier nur so schnell fahren, dass Sie auf unachtsame Fußgänger rechtzeitig reagieren können. Andernfalls trifft Sie unter Umständen ein Mitverschulden, wenn es zum Unfall kommt. Notfalls müssen Sie warten.
Grundsätzlich sind Sie als Radfahrer verpflichtet, überholungswillige Fahrzeuge überholen zu lassen. Das kann auch bedeuten, eventuell langsam fahren oder an geeigneten Stellen anhalten zu müssen (z.B. Seitenstreifen oder Bushaltestellen).
Überholverbote, die für Kraftfahrzeuge untereinander gelten, haben im Verhältnis Kfz/Radfahrer keine Bedeutung. Von Kraftfahrzeugen dürfen Sie immer an geeigneter Stelle überholt werden, wenn Sie mit dem Rad unterwegs sind.
Eine Ausnahme bildet hier das gesonderte gekennzeichnete Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen, insbesondere Fahrrädern (Zeichen 277.1). Das Zeichen zeigt einen roten Pkw links von einem Fahrrad und einem Motorrad. Einspurige Fahrzeuge dürfen hier überholen, aber nicht von zweispurigen Fahrzeugen überholt werden.
ALTER TEXT
1.1. Auch Radler müssen sich an die Verkehrsregeln halten
Radler leben gefährlich, weil sie eher als Autofahrer dazu neigen, die Verkehrsregeln zu missachten. Dabei würde in vielen Fällen die Beachtung der Verkehrsregeln helfen, sich und andere vor Verletzungen zu schützen. Zudem laufen sie bei Nichtbeachtung Gefahr, im Falle eines Unfalls zu haften. Und das kann teuer werden, denn anders als ein Autofahrer ist nicht jeder Radler haftpflichtversichert.
Deshalb ist es gut, zu wissen, welche Regeln unbedingt beachtet werden sollten und wie Sie zur Not argumentieren können, wenn Ihnen Mitverschulden an einem Unfall vorgeworfen wird.
Unabhängig von einer zivilrechtlichen Haftung müssen Radfahrer bei Verkehrsverstößen mit einem ordentlichen Bußgeld rechnen – bei schwerwiegenden Folgen wie Verletzungen Dritter oder Trunkenheitsfahrten
sogar mit strafrechtlicher Verfolgung.
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1.2. Straße, Radweg oder Bürgersteig - wo dürfen Sie fahren?
Radwege sind zum benutzen da
Als Radfahrer sind Sie im Straßenverkehr zwar flexibel und umweltbewusst unterwegs, aber leider auch das schwächste Glied der Kette. Sie haben kein Blech um sich herum wie Autofahrer und sind weder so schnell noch so gut gepolstert wie Motorradfahrer. Schon deshalb sollten Sie alle wichtigen Verkehrsregeln kennen und beachten. Die vielleicht wichtigste Regel lautet deshalb: Wenn ein Radweg vorhanden ist, müssen Sie ihn nutzen, sofern der Radweg entsprechend gekennzeichnet ist. Das gilt auch für besondere Fahrräder wie zum Beispiel Rennräder, Liegeräder oder motorlos betriebene Mofas (BVerwG, Beschluss vom 31.1.2001, 3 B 183/00, NZV 2001 S. 493).
Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Radweg muss nur benutzt werden, wenn die jeweilige Fahrtrichtung gekennzeichnet ist oder ein gemeinsamer bzw. getrennter Rad-/Fußweg besteht. Nicht gekennzeichnete Radwege dürfen Sie benutzen, müssen es aber nicht.
Ein Weg, der nicht durch ein blaues Schild gekennzeichnet ist, seiner Gestaltung nach aber eindeutig für die Benutzung durch Radfahrer bestimmt ist, gilt als Radweg und darf als solcher genutzt werden ( VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 28.3.2017, 3 L 282/17.NW) .
Können Sie einen an sich benutzungspflichtigen Radweg überhaupt nicht nutzen, weil er beispielsweise vereist, zugeparkt oder für Ihr spezielles Fahrrad zu schmal ist (z.B. sind Sie mit einem Dreirad oder mit einem Anhänger unterwegs), dürfen Sie ausnahmsweise auf die Straße ausweichen ( OLG Naumburg, Urteil vom 8.12.2011, 1 U 74/11 ). Das Gleiche gilt, wenn Sie ein Hindernis umfahren oder die Straßenseite wechseln wollen.
Den Gehweg dürfen Sie hingegen auch in diesen Fällen nicht benutzen ( OLG Naumburg, Urteil vom 8.12.2011, 1 U 74/11 ).
Eine Benutzungspflicht besteht ebenfalls nicht, wenn der Weg zu schmal für das Rad ist (z.B. für ein Rad mit Anhänger oder ein Behinderten-Dreirad) oder aus anderen Gründen unzumutbar ist.
Wenn Sie sich aber trotz des schlechten Zustandes zur Radwegbenutzung entschlossen haben, müssen Sie sich damit abfinden und entsprechend vorsichtig fahren. Schadensersatz von der Gemeinde wegen Verstoßes gegen eine Verkehrssicherungspflicht gibt es hier nicht, wenn Sie zum Beispiel wegen sichtbarer Unebenheiten stürzen.
Wer jedoch grundlos einen vorhandenen Radweg nicht befährt, hat keinen Schadensersatzanspruch, wenn er auf der Fahrbahn mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidiert oder es wegen Straßenschäden zu einem Unfall kommt.
Ein Rennradfahrer rutschte auf einer Ölspur aus und erhielt nur 50 % Schadensersatz, weil die Radwegebenutzungspflicht den Schutzzweck hat, Radfahrer unter anderem vor Gefahren wie Ölspuren auf der allgemeinen Fahrbahn zu schützen (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 28.10.2011, 24 U 134/11, NZV 2012 S. 179).
Die Fahrtrichtung muss stimmen
Als Radfahrer müssen Sie normalerweise die rechts verlaufenden Radwege benutzen. In die Gegenrichtung dürfen Sie nur fahren, wenn dies durch ein entsprechendes Zeichen (Sonderweg Radfahrer) ausdrücklich zugelassen ist. Auch hier gilt das Rechtsfahrgebot. So haftet ein falsch fahrender Radler allein, wenn er einen anderen Radler durch seine Geisterfahrt zum Sturz bringt.
Befinden Sie sich erlaubtermaßen auf einem Radweg in falscher Richtung
, brauchen Sie nicht einmal die Seite zu wechseln, wenn plötzlich in Ihrer Richtung auf der anderen Fahrbahnseite ein zusätzlicher Radweg entsteht. Das müssen Sie nur, wenn Sie durch eine deutliche Verkehrsführung auf den anderen Radweg umgelenkt werden.
Ansonsten gehen Geisterradfahrer
leer aus, wenn es zwischen Radlern im Gegenverkehr kracht. Anders sieht es aus mit dem Querverkehr.
So sprach das OLG Hamm einer älteren Radfahrerin 2/3 des ihr entstandenen Schadens zu, obwohl sie den Radweg in der falschen Richtung, aber auf der bevorrechtigten Straße befahren hatte, als sie an einer Kreuzung mit einem 14-jährigen Radler zusammenstieß. Der Junge war aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg
geschossen. Die ältere Dame stürzte und verletzte sich schwer (OLG Hamm, Urteil vom 6.6.2014, 26 U 60/13 ).
Das OLG bejahte eine Haftung des radelnden Teenagers mit der Begründung, dass er aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg gefahren sei, ohne zuvor sicherzustellen, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer durch sein Einfahren gefährdet werden. Hier gilt: Wer aus einem verkehrsberuhigten Bereich kommt, muss die Vorfahrt sämtlicher Verkehrsteilnehmer, auch die eines radelnden Geisterfahrers beachten. Die Radlerin musste sich jedoch ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen, da sie unerlaubt auf dem linken Radweg
fuhr.
Wenn kein Radweg vorhanden ist
In diesem Fall müssen Sie auf die Fahrbahn ausweichen. Radfahrer haben auf dem Gehweg nichts zu suchen. Kommt es hier zu einer Kollision mit einem Fußgänger, wird man dem Radfahrer die Hauptschuld anlasten. Dasselbe gilt, wenn er hier mit einem Fahrzeug kollidiert, das langsam aus einer Grundstücksausfahrt heraus- oder hereinfährt (LG Dessau, Urteil vom 19.8.2005, 1 S 79/05, NZV 2006 S. 149).
Anders sieht es wiederum aus, wenn der Autofahrer zu schnell aus einer Ausfahrt herauskommt. Dann müssen sich Radler und Autofahrer den Schaden teilen.
Auch auf Fußgängerüberwegen zur Fahrbahnüberquerung haben Radler eigentlich nichts zu suchen, wenn sie nicht gerade ihr Vehikel schieben. Dass Autofahrer das in der Regel nicht wissen, sollten Radler im eigenen Interesse nicht ausnutzen.
Beachten Sie: Eine Haftung des Radfahrers kann jedoch dann entfallen bzw. geringer ausfallen, wenn der Fußgänger außerhalb des Bürgersteiges unterwegs ist oder der Autofahrer zu schnell unterwegs ist und so seine eigenen Sorgfaltspflichten missachtet.
Ein Fußgänger, der den Bürgersteig verlässt und die Fahrbahn jenseits einer Ampel betritt, ist zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Kommt es hier zu einem Unfall mit einem Radfahrer, muss der Fußgänger beweisen, dass der Radler zu schnell war oder der Unfall bei einer niedrigeren Geschwindigkeit vermieden worden wäre (OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.11.2011, 4 U 3/11-2).
Fußgänger müssen auch dann auf Radfahrer Rücksicht nehmen, wenn ein farblich markierter Radweg um eine Ampel herumführt und Fußgänger diesen überqueren müssen (OLG Hamm, Urteil vom 19.1.2018, I-26 U 53/17).
Kinder haben Sonderrechte
Kinder unter 10 Jahren
Kinder unter acht Jahren müssen auf dem Gehweg fahren, Kinder unter zehn dürfen es. Radeln Eltern mit, ist für diese der Gehweg tabu. Sie müssen ihren Sprössling vom Radweg oder von der Straße aus beobachten.
Ist weder Geh- noch Radweg vorhanden, darf das Kind die Fahrbahn benutzen. Das gilt selbst dann, wenn ein auf der anderen Straßenseite gelegener Radweg zwar vorhanden ist, aber das Kind dazu die Fahrbahn überqueren müsste.
Kommt auf dem Fußweg ein Fußgänger durch ein Rad fahrendes Kind zu Schaden, haftet das Kind bzw. die aufsichtspflichtige Person nach den allgemeinen Vorschriften. Das heißt, Kinder unter sieben Jahren haften nie. Ältere Kinder haften nach ihrer Einsichtsfähigkeit.
Wichtig: Seit 2002 sind Kinder unter 10 Jahren im Straßenverkehr privilegiert. Um der kindlichen Entwicklung besonders Rechnung zu tragen, sieht § 828 Abs. 2 BGB für 7- bis 10-Jährige eine Begrenzung der Haftung bei Unfällen mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn vor. Diese Haftungsprivilegierung ist auf Situationen mit den genannten Fahrzeugen beschränkt und gilt nicht bei Unfällen beispielsweise mit Radfahrern oder Fußgängern.
Das Haftungsprivileg gilt auch nicht für den ruhenden Verkehr, wenn das Kind zum Beispiel ein parkendes Fahrzeug beschädigt (BGH, Urteil vom 30.1.2004, VI ZR 365/03, NJW 2004 S. 354). Hält das Fahrzeug nur verkehrsbedingt, bleibt es dagegen beim Haftungsprivileg (BGH, Urteil vom 17.4.2007, VI ZR 109/06, NJW 2007 S. 2113). Dabei bleibt es auch, wenn ein verkehrswidrig abgestelltes Fahrzeug mit offenen Türen dasteht (BGH, Urteil vom 11.3.2008, VI ZR 75/07, VersR 2008 S. 701).
Anders sieht es erst aus, wenn dem Kind Vorsatz vorgeworfen werden kann, was allerdings von den Gerichten in dieser Altersklasse selten unterstellt wird. So greift das Haftungsprivileg für Kinder sogar, wenn das Kind gar nicht radelt, sondern das Rad frei rollen lässt und dadurch an einem Fahrzeug einen Schaden verursacht (BGH, Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 42/07, NZV 2008 S. 22). Auch hier kommt es in der Regel nicht zur Haftung. Die Instanzgerichte sind hier großzügig.
Ein 9-Jähriger war mit einem Fahrrad ohne Bremsen auf der Straße unterwegs und fuhr
ungebremstin ein Auto. Die Richter bewerteten das Fahren ohne Bremsvorrichtung nicht als vorsätzlich, sondern als typisch leichtsinnig für ein Kind in diesem Alter. Damit konnte der Junge gemäß § 828 Abs. 2 BGB nicht zur Haftung herangezogen werden (OLG Köln, Beschluss vom 2.4.2007, 24 W 13/07, MDR 2008 S. 22).
Unabhängig von der unmittelbaren Haftbarkeit der Kinder haften aufsichtspflichtige Eltern, wenn sie ihre Pflichten nicht beachten – allerdings nicht immer.
Ein fast 8-jähriges Kind verließ den elterlichen Hof per Rad und kollidierte mit einem Fahrzeug. Schadensersatz bekam der Fahrzeughalter nicht. Den Eltern konnte kein Aufsichtsverschulden zur Last gelegt werden. Eine ständige Beobachtung kann in dieser Altersklasse nicht mehr erwartet werden.
Auch ein 5-jähriges auf dem Bürgersteig radelndes Kind muss nicht so eng überwacht werden, dass der Aufsichtspflichtige jederzeit eingreifen kann.
Kinder über zehn Jahre
Selbst wenn diese Kinder nicht mehr von dem Haftungsprivileg profitieren, trifft im Falle einer Kollision den Kfz-Fahrer fast immer ein überwiegendes Verschulden. Denn Kraftfahrer dürfen grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass sich Kinder verkehrsgerecht verhalten. Langsames Fahren und Bremsbereitschaft sind hier unumgänglich, zumal Kindern nicht immer anzusehen ist, ob sie schon älter als zehn Jahre sind.
Bei schweren Verkehrsverstößen durch jugendliche Radler kann das Ganze auch mal anders aussehen. Wenn zum Beispiel eine 13-Jährige eine Ampel bei Rot überfährt, kann sie für den Schaden, der durch eine Kollision an einem Kfz entsteht, voll haftbar gemacht werden (AG Gießen, Urteil vom 14.8.2012, 49 C 147/12 ).
Da man nie wissen kann, wie die Gerichte im Einzelfall entscheiden, und die Schäden finanziell sehr belastend sein können, ist eine Privathaftpflichtversicherung sehr empfehlenswert. Diese tritt auch bei grob fahrlässig verursachten Schäden ein.
Beachten Sie: Die Privathaftpflichtversicherung ist eine echte Familienversicherung. Ehepartner und minderjährige Kinder sind ohne Beitragszuschlag voll mitversichert.
1.3. Rechtsfahrgebot gilt auch für Fahrradfahrer
Auf dem Radweg oder auf der Fahrbahn müssen Radler möglichst weit rechts fahren. Das gilt insbesondere, wenn Gegenverkehr auf dem Radweg herrscht.
Auf der Fahrbahn bedeutet Rechtsfahrgebot: von zwei Fahrbahnen die rechte zu benutzen. Die jeweilige Örtlichkeit kann aber auch entscheidend sein. Normalerweise geht man von 80 cm Abstand zum Fahrbahnrand aus. Neben einem Parkstreifen darf und sollte der Abstand aber mindestens einen Meter betragen. Andernfalls laufen Sie als Radfahrer Gefahr, Mitschuld an einem Unfall zu haben, der durch unachtsames Türöffnen entsteht.
Natürlich brauchen Sie sich als Radler nicht selbst zu gefährden. Keiner kann von Ihnen verlangen, dass Sie das Risiko eingehen, möglicherweise in Straßenbahnschienen zu geraten. Ein Autofahrer, der in dieser Situation nicht an Ihnen vorbeikommt, muss sich eben gedulden.
Eine weitere Ausnahme vom Rechtsfahrgebot besteht, wenn Sie links abbiegen wollen. Dann dürfen Sie als Radler den rechten Fahrbahnrand verlassen und sich entsprechend einordnen.
§ 2 Abs. 4 StVO verlangt von Radfahrern, einzeln hintereinander zu fahren. Nebeneinanderfahren dürfen sie nur, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird. Das ist aber schon gegeben, wenn andere nicht mehr gefahrlos überholen oder ausweichen können. Eine Ausnahme vom Hintereinanderfahrgebot gibt es nur für geschlossene Verbände.
1.4. Geschwindigkeitsbegrenzungen für Radfahrer
Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es im Prinzip auch für Radler. So dürfen sie auf Fahrstraßen nicht schneller fahren, als es dort Kraftfahrern erlaubt ist. Und auf kombinierten Rad-/Gehwegen liegt die Richtgeschwindigkeit bei ca. 4 km/h bis 7 km/h (Schrittgeschwindigkeit). Das Problem stellt sich zwar selten – aber E-Bike-Fahrer, Rennradfahrer und ambitionierte Freizeitradler können ganz schön auf Tempo kommen.
Unabhängig von Geschwindigkeitsbegrenzungen muss auch ein Radfahrer immer mit angepasster Geschwindigkeit fahren, sonst trifft ihn ein Mitverschulden, wenn es zum Unfall kommt.
Wenn ein Fahrradfahrer bei Dunkelheit mit batteriebetriebener Leuchte unterwegs ist, leuchtet diese nur eine Strecke von ca. 4 m in einer Breite von 1,50 m aus. Bei diesen stark eingeschränkten Lichtverhältnissen ist eine Geschwindigkeit von 20 km/h bis 25 km/h eindeutig zu hoch, wenn er sich auf einem kombinierten Fuß-/Radweg befindet (OLG Nürnberg, Urteil vom 7.4.2004, 4 U 644/04, VersR 2005 S. 286).
Ein Radfahrer, der in
Rennradler-Haltungüber den Lenker gebeugt mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h eine innerörtliche Straße befährt und dort mit einem Fußgänger kollidiert, ist ebenfalls eindeutig zu schnell. Fußgänger müssen nicht damit rechnen, dass ein Fahrradfahrer mit Geschwindigkeiten daherkommt, wie sie normalerweise von motorisierten führerscheinpflichtigen Fahrzeugen erreicht werden. Hinzu kommt, dass Radfahrer optisch und akustisch weniger leicht wahrzunehmen sind als Kraftfahrzeuge.Ein Radler, der an einer Gruppe ins Gespräch vertiefter, teilweise auf der Fahrbahn stehender Jugendlicher mit hoher Geschwindigkeit so nah vorbeifährt, dass er durch eine unbedachte Bewegung einer der Jugendlichen zu Fall kommt, muss sich ebenfalls einen Mitverschuldensvorwurf gefallen lassen (OLG Köln, Urteil vom 23.8.2000, 11 U 16/00, DAR 2001 S. 35).
1.5. Überholen nicht nach Belieben
Ausreichend Seitenabstand einhalten
Zwischen Kraftfahrzeugen und Fahrradfahrern sollte stets ein Abstand von 1 m bis 1,50 m eingehalten werden. Selbst bei einer geringen Geschwindigkeit von 30 km/h muss der Abstand mindestens 1 m betragen.
Außerorts darf ein Pkw einen Fahrradfahrer mit höherer Geschwindigkeit überholen, wenn die Fahrbahnbreite 6 bis 7 m beträgt und er zum Überholvorgang die Fahrspur insgesamt wechselt (LG Mühlhausen, Urteil vom 8.7.2003, 2 S 75/02, NZV 2004 S. 359).
Überholt ein Radfahrer einen anderen Radfahrer, ist ein geringerer Abstand ausreichend. Hier sollten Sie am besten klingeln, wenn es eng wird.
Zeichen geben
Einen Fahrtrichtungswechsel zeigen Radfahrer durch entsprechende Armzeichen an, sowohl auf einem Radweg als auch auf der Straße. Zwar müssen andere Verkehrsteilnehmer damit rechnen, dass Radfahrer auch ohne »Handblinker« abbiegen, darauf verlassen sollten Sie sich jedoch nicht. Im Falle einer Kollision kann es mitunter zu einer Haftungsteilung oder gegebenenfalls sogar zur alleinigen Haftung des abbiegenden Radfahrers kommen.
Eine Radfahrerin war an einer Kreuzung ohne Handzeichen nach links abgebogen. Ein überholender Radfahrer konnte nicht mehr ausweichen, sodass es zur Kollision kam. Die unvorsichtige Linksabbiegerin unterlag in dem Rechtsstreit (OLG München, Urteil vom 24.4.2013, 10 U 3820/12, NZV 2013 S. 542).
Haben Sie sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet, müssen Sie den Arm nicht zwingend heraushalten. Sicherer ist es dann, beide Hände am Lenker zu haben. Eine vorhandene Linksabbiegerspur bedeutet zugleich, dass Sie als links abbiegender Radfahrer den Radweg verlassen dürfen (aber nicht müssen), um sich korrekt einzuordnen. Alternativ können Sie auch indirekt links abbiegen, indem Sie zunächst die Fahrbahn geradeaus überqueren und dann wie ein Fußgänger links abbiegen.
Aufgepasst bei stehenden Fahrzeugen!
Grundsätzlich muss links überholt werden. Ausnahme: Als Radfahrer dürfen Sie auf dem rechten Fahrstreifen wartende Fahrzeuge mit mäßiger Geschwindigkeit und großer Vorsicht rechts überholen (§ 5 Abs. 8 StVO).
Umgekehrt sollten Sie es tunlichst vermeiden, an Fahrzeugen auf einer Linksabbiegerspur rechts vorbeizufahren. Den Linksabbiegern ist nicht zuzumuten, den Verkehrsraum rechts von ihrem Fahrzeug ständig zu überprüfen. Hier hätten Sie als Radler bei einem Unfall schlechte Karten (OLG Hamm, Urteil vom 8.5.2000, 13 U 18/00, NZV 2001 S. 39).
Auch nicht ganz ungefährlich: Fußgänger, die sich an stehenden Autos orientieren und nicht mit heranpreschenden Radlern rechnen. Hier wird Ihnen als Radfahrer im Falle eines Unfalls in der Regel ein hälftiges Mitverschulden zur Last gelegt.
Überholende Kraftfahrzeuge überholen lassen
Grundsätzlich sind Radler verpflichtet, überholungswillige Fahrzeuge überholen zu lassen. Das heißt, gegebenenfalls langsam fahren oder anhalten – aber nur an geeigneter Stelle (wie zum Beispiel Seitenstreifen und Bushaltestelle). Überholverbote, die für Kraftfahrzeuge untereinander gelten, haben im Verhältnis Kfz/Radfahrer keinerlei Bedeutung: Kraftfahrzeuge dürfen Fahrräder immer an geeigneter Stelle überholen.
An wartenden öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen nicht zu flott vorbeifahren
Überquert ein Fußgänger einen Radweg, um in einen Bus einzusteigen, ist es an ihm, aufzupassen. Trotzdem sollten Sie als Radler hier nur so schnell fahren, dass Sie auf unachtsame Fußgänger rechtzeitig reagieren können. Andernfalls trifft Sie ein Mitverschulden, wenn es zur Kollision kommt.
Fahrgäste müssen beim Aussteigen häufig einen Radweg überqueren. Hier heißt es deshalb für den Radfahrer: Vorsichtig vorbeifahren! Notfalls muss der Radfahrer warten.
1.6. Vorfahrtsregeln
Wer sich nicht daran hält, haftet bei einer Kollision mit einem Fahrzeug voll. Das gilt selbst für eine Kollision mit einem Kfz. Denn die sonst übliche Betriebsgefahr, die aufseiten von Kraftfahrzeugen zu einem automatischen Mitverschulden von ca. 20 % führt, entfällt bei erheblichen Verkehrsverstößen wie der Vorfahrtsmissachtung (OLG Oldenburg, Urteil vom 31.7.2014, 1 U 19/14 ).
Wenn Sie als Radfahrer Vorfahrt haben, brauchen Sie nicht darauf zu verzichten, selbst wenn es manchmal sinnvoll ist. Aber: Sie haben grundsätzlich keine Vorfahrt vor einem Fahrzeug, wenn Sie die Straße auf einem Fußgängerüberweg fahrend überqueren. Die haben Sie nur, wenn Sie Ihr Gefährt schieben.
Schwieriger ist es, wenn Sie einen Radweg in falscher Richtung befahren. Hier muss der in eine Vorfahrtsstraße abbiegende Autofahrer stets damit rechnen, dass der kreuzende Radweg vorschriftswidrig in falscher Richtung befahren wird. Andererseits darf der in falscher Richtung fahrende Radfahrer nicht darauf vertrauen, die Vorfahrt zu haben. Im Ergebnis wird es hier oft zu einem Mitverschulden des Radlers kommen, wenn es kracht.
II. Die Ausstattung
2.1. Licht an im Dunkeln
Die Fahrradbeleuchtungsvorschriften haben sich 2013 geändert. Danach ist Folgendes zulässig:
eine Lichtmaschine mit mindestens 3 Watt Nennleistung und 6 Volt Nennspannung,
eine Batterie mit einer Nennspannung von 6 Volt (Batterie-Dauerbeleuchtung) oder
ein wieder aufladbarer Energiespeicher.
Anders als früher können Sie wählen, welche Energiequelle Sie als Lichtanlage an Ihrem Fahrrad anbringen wollen. Da Scheinwerfer und Schlussleuchte nicht mehr zusammen einschaltbar sein müssen, ist auch eine elektrische Leitung zwischen beiden nicht mehr nötig.
Weitere Informationen zur richtigen Beleuchtung, insbesondere für E-Bikes, erhalten Sie beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (www.adfc.de).
Unabhängig von der richtigen technischen Ausstattung gilt, dass bei Dämmerung, Dunkelheit oder entsprechend schlechten Lichtverhältnissen Radfahrer im Straßenverkehr mit Licht fahren müssen.
Ein unbeleuchtetes Fahrrad darf nur geschoben werden. Kommt es wegen der mangelnden Beleuchtung zu einem Unfall, haftet der Radler (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 3.12.2004, 24 U 201/03, NZV 2006 S. 36). Die Beweislast dafür, dass das Licht wirklich funktioniert hat, trägt er.
Als Radler muss man sich darauf einstellen, dass Autofahrer, die einen wegen mangelnder Beleuchtung zu spät sehen, ruckartig ausweichen und so schwere Unfälle verursachen. Die anteilige Haftung des Radlers kann in solchen Fällen beträchtlich sein.
2.2. Müssen Sie einen Helm tragen?
In Deutschland besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zum Helmtragen ( BGH, Urteil vom 17.6.2014, VI ZR 281/13 ). In anderen Ländern, wie etwa Australien, Finnland oder Spanien, sieht das anders aus. Deshalb müssen Sie sich hierzulande als Fahrradfahrer kein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn Sie ohne Helm unterwegs sind und die Folgen des Unfalls schwerer ausfallen als mit Helm.
Ein Radfahrer fährt ohne Helm in falscher Richtung auf dem Radweg und kollidiert mit einem Kfz. Dabei zieht er sich schwere Kopfverletzungen zu. Der Autofahrer und der Radfahrer müssen sich den Schaden teilen. Dass der Schaden aufseiten des Radlers erheblich höher ausgefallen ist, weil er keinen Helm getragen hat, erhöht seinen Mitverschuldensanteil nicht ( OLG Hamm, Urteil vom 4.8.2017, 9 U 173/16 ).
Nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof die Frage, inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann. Auf diese Frage kam es im zu entscheidenden Fall nicht an.
Daher gilt hier nach wie vor die Ausnahme, wer mit seinem Rennrad Freizeitsport auf öffentlichen Straßen ausübt, muss grundsätzlich einen Schutzhelm tragen. Andernfalls trifft den Hobbyfahrer im Falle einer Kopfverletzung ein Mitverschulden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.2.2007, I-1 U 182/06, NJW 2007 S. 3075). Im entschiedenen Fall hatte der Hobbyrennradfahrer schwere Kopfverletzungen, unter anderem ein Schädelhirntrauma zweiten Grades sowie eine Schädel- und Mittelgesichtsfraktur erlitten.
III. Wenn Sie nicht alleine unterwegs sind
3.1. Mitnahme von Personen, Tieren und Lasten
Mitnahme von Personen
Nur Kinder unter sieben Jahren dürfen auf Fahrrädern, die von mindestens 16 Jahre alten Personen gefahren werden, mitgenommen werden. Das Ganze ist natürlich nur dann erlaubt, wenn besondere Kindersitze dafür verwendet werden. Der Rahmen, die Lenkstange und der Gepäckträger sind dagegen tabu, und schneller als 25 km/h darf auch nicht gefahren werden.
Ausnahme: die Fahrradrikscha. Sie ist kein Fahrrad im Sinne des § 21 Abs. 3 StVO. Deshalb gelten die oben genannten Beschränkungen nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 11.10.2004, Ss( Owi) 460/04, NJW 2005 S. 452).
Das Mitnehmen von Kleinkindern oder Säuglingen in Tragesäcken am Körper des Radfahrers ist nicht verboten, solange nicht die Sicherheit des Radfahrers oder des Kindes dadurch beeinträchtigt wird. Für die immer beliebter werdenden Kinderfahrradanhänger mit geeigneten Sitzen ist nach § 21 Abs. 3 StVO das Mindestalter von 16 Jahren für den Radler und das Höchstalter des beförderten Kindes von sieben Jahren vorgeschrieben.
Anhänger Marke Eigenbau
sind nicht verboten, es gelten aber dieselben Vorschriften wie für andere Fahrradanhänger. Das heißt, es muss eine verkehrssichere Verbindung zwischen Anhänger und Fahrrad bestehen. Der Anhänger darf nur maximal einen Meter breit sein. Eigene Bremsen sind nicht erforderlich. Zur Beleuchtung sind zwei Lichtdreiecke als Rückstrahler erforderlich – in maximal 60 cm Höhe angebracht und nicht mehr als 40 cm vom äußeren Rand des Anhängers entfernt.
Mitnahme von Tieren
Hunde – keine anderen Tiere – dürfen beim Fahrradfahren an der Leine mitgeführt werden, soweit dadurch keine tierschutzrechtlichen Vorschriften verletzt werden.
Hüten Sie sich aber davor, den Hund zu führen, indem Sie die Leine fest um den Lenker wickeln. Bei einem Unfall, wenn zum Beispiel Ihr Vierbeiner einem frei laufenden Hund plötzlich nachjagen will, werden Sie schadensersatzmäßig das Nachsehen haben (OLG Köln, Urteil vom 13.8.2002, 9 U 185/00, NJW-RR 2003 S. 884).
Mitnahme von Ladung
Ladung ist erlaubt. Die Bewegungsfreiheit beim Fahren und Zeichengeben darf aber auf keinen Fall beeinträchtigt werden. Nicht verboten ist es, einhändig mit einer Last in der anderen Hand oder mit einer Tasche an der Lenkstange zu fahren. Empfehlenswert ist es nicht.
3.2. Fahren im Pulk
Finden sich mindestens 16 Radler zusammen, dürfen sie als geschlossener Pulk fahren. Das muss allerdings für einen anderen Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbar sein. Eine Behinderung des übrigen Verkehrs durch den Verband ist hinzunehmen. Es dürfen aber immer nur zwei Personen nebeneinanderfahren. Ausnahme: reine Fahrradstraßen, in denen Fahrräder Vorrang vor Kraftfahrzeugen haben.
Auch Nachzügler sind keine Verbandsfahrer mehr. Ein langsamer Nachzügler wird von der Rechtsprechung so behandelt, als wäre er alleine unterwegs (z.B. muss ein eingesetzter Streckenposten nicht so lange ergriffene Sicherungsmaßnahmen aufrechterhalten, bis der Einzelfahrer die abgesicherte Stelle erreicht hat; OLG Hamm, Urteil vom 6.2.2014, 6 U 80/13, NJW-RR 2014 S. 804).
IV. Abstellen von Fahrrädern auf dem Gehweg
Parken eines Fahrrades auf dem Gehweg ist als Gemeingebrauch grundsätzlich erlaubt, soweit das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern beachtet wird. Eine verschuldensunabhängige Haftung für abgestellte Fahrräder gibt es nicht, wenn zum Beispiel das Fahrrad umfällt und es dadurch zu einem Schaden kommt (AG München, Urteil vom 11.6.2013, 261 C 8956/13 ).
V. Was Sie als Radler noch unbedingt beachten sollten
5.1. Ampeln gelten auch für Radfahrer
Wenn keine speziellen Radfahrerampeln vorhanden sind, gilt Folgendes:
Grenzt ein Radweg an einen Fußgängerüberweg, muss der Radfahrer die Fußgängerampel beachten.
Grenzt der Radweg nicht unmittelbar an den Fußgängerüberweg, muss der Radfahrer die Autofahrerampel beachten.
Ohne Radweg ist die Autofahrerampel maßgeblich.
5.2. Einbahnstraßen dürfen ausnahmsweise in entgegengesetzter Richtung befahren werden
Auch Fahrradfahrer dürfen normalerweise eine Einbahnstraße nur in der vorgegebenen Richtung benutzen. Selbst wenn ein Radweg vorhanden ist, ist die Gegenrichtung eigentlich tabu.
Einbahnstraßen sind aber für den Fahrradverkehr in der Gegenrichtung befahrbar, wenn das Fahrradfahrersymbol und zwei senkrechte gegenläufige Pfeile dies erlauben. Dann muss sich der Autofahrer auf Gegenverkehr einstellen und entsprechend langsam fahren. Radfahrer müssen das Rechtsfahrgebot beachten.
5.3. Das gilt auf besonderen Fahrradstrecken
Radfahren auf Feld- und Waldwegen
Diese Wege sind normalerweise für Fahrzeuge aller Art gesperrt (Zeichen 250). Ausnahme: landwirtschaftlicher- und/oder forstwirtschaftlicher Verkehr. Ohne Zusatzzeichen Radfahrer frei
haben auch Radler hier nichts zu suchen.
Selbst wenn das Radfahren dort erlaubt ist, haftet die Gemeinde nicht für Schäden, die hier wegen schlechter Straßenqualität entstehen können. Das Gleiche gilt für Naturradwege, die zum Teil mit Rollsplitt belegt sind. Hier muss der Radler eben aufpassen. Vor Schranken oder Ketten, die den Autoverkehr unterbinden sollen, ist allerdings rechtzeitig zu warnen.
Kommt Ihnen ein frei laufender Hund entgegen, heißt es, nur nicht erschrecken
. Darauf müssen Sie gefasst sein. Wer dennoch stark abbremst und deswegen stürzt, hat normalerweise keinen Schadensersatzanspruch gegen den Hundehalter.
Sonderweg Radfahrer (Zeichen 337)
Hier haben nur Radfahrer etwas zu suchen. Überquerende Fußgänger müssen aufpassen. Wenn der Radweg aber für Radler unzumutbar ist, darf auf die Straße ausgewichen werden (VG Braunschweig, Urteil vom 17.4.2013, 6 A 64/11 ; OLG Naumburg, Urteil vom 8.12.2011, 1 U 74/11, NJW-RR 2012 S. 275).
Getrennter Rad-/Fußweg (Zeichen 241)
Bei genügend breiten Gehwegen sind häufig Radwege durch eine durchgezogene weiße Linie vom Fußweg getrennt. Hier haben sich Radfahrer auf Fußgänger und Fußgänger auf Radfahrer einzustellen. Das heißt, ein Fußgänger haftet für Schäden des Radfahrers, wenn er einen Radweg unaufmerksam überquert.
Sollte es sich bei dem Fußgänger um einen älteren Menschen handeln, ist besondere Rücksichtnahme geboten. Dasselbe gilt gegenüber Kindern. Diese haften bis zum 10. Lebensjahr grundsätzlich nicht, wenn sie einen Schaden im Straßenverkehr verursachen, also Ihnen zum Beispiel ins Rad laufen. Eltern haften hier nicht, wenn das Kind eigenmächtig auf den Radweg läuft. Ein Kind muss sich in diesem Bereich frei bewegen können.
Gemeinsamer Fuß-/Radweg (Zeichen 240)
Hier haben Fußgänger als die schwächeren Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Radfahrverkehr Vorrang. Das heißt, sie müssen sich nicht fortwährend nach Radfahrern umschauen. Sie dürfen vielmehr darauf vertrauen, dass sich Radler rechtzeitig durch Klingelzeichen bemerkbar machen. Andererseits müssen Fußgänger die Radler dann durchfahren lassen, indem sie gegebenenfalls zur Seite treten (OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.3.2004, 8 U 19/04, NZV 2004 S. 360).
Kommen Sie hier zu Fall, weil trotz Glatteis nicht gestreut worden ist, haben Sie auch als Fahrradfahrer einen Schadensersatzanspruch gegen die streupflichtige Gemeinde. Selbst wenn der Schutz der Fußgänger im Vordergrund steht, stehen Ihnen als Radler nicht weniger Rechte zu, als wenn Sie per pedes unterwegs wären (BGH, Urteil vom 9.10.2003, III ZR 8/03, NJW 2003 S. 3622).
Radfahrer unterwegs in Fußgängerzonen
In Fußgängerzonen haben Radler grundsätzlich nichts zu suchen, wenn sie nicht auch für Radler freigegeben sind. Ausnahme: Sie schieben ihr Rad. Fährt hier zum Beispiel ein Fahrradfahrer bei Dunkelheit gegen Absperrketten, die für Fußgänger erkennbar sind, hat er das Nachsehen (OLG Jena, Urteil vom 10.11.2004, 4 U 432/04, NZV 2005 S. 192).
Wenn in Fußgängerzonen der Radfahrverkehr zugelassen ist, dürfen Fußgänger natürlich nicht gefährdet werden. Konkret bedeutet dies: Schrittgeschwindigkeit (ca. 4 km/h bis 6 km/h).
Oder es sind farblich markierte Sonderfahrspuren vorhanden. Dann darf der Radler nur dort fahren. Läuft ein Fußgänger hier, muss er sich aber auf Radverkehr einstellen.
Radfahren in verkehrsberuhigten Bereichen
Auf diesen Mischflächen dürfen selbstverständlich auch Fahrräder fahren – und zwar mit Schrittgeschwindigkeit (ca. 4 km/h bis 6 km/h). Fußgänger haben Vorrang.
Kollidiert ein Kfz-Fahrer hier mit einem Rad fahrenden Kind, haftet es nicht, solange es noch keine zehn Jahre alt ist.
Dieses Haftungsprivileg darf allerdings nicht dazu führen, dass die Aufsichtspflicht für Kinder dieser Altersklasse hier erhöht wird. So muss gerade in Spielstraßen
das Herumfahren mit Kinderfahrrädern auch ohne besondere Aufsichtsmaßnahmen durch die Eltern oder andere Aufsichtspersonen von den Autofahrern mit einkalkuliert werden (OLG Hamm, Urteil vom 9.6.2000, 9 U 225/99, NZV 2001 S. 42).
Das Rad in der Busspur
Hier dürfen Radler fahren, wenn ein Radfahrer frei
-Schild es erlaubt. Die Devise heißt rechts fahren, den Bus nicht behindern und an ein- und aussteigende Fahrgäste denken.
Aber: Es ist eine grobe Verkehrswidrigkeit, mit dem Fahrrad in der Busspur entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung zu fahren.
Eine Radfahrerin war mitten auf der Busspur (nach ihrer Darstellung
genau mittig) als Geisterfahrerin unterwegs, kollidierte dort mit einem Kfz, das aus einer Grundstücksausfahrt kam, und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Schadensersatzklage der Frau blieb erfolglos. Ein leichtes Verschulden der aus der Grundstücksausfahrt ausfahrenden Kraftfahrerin tritt gegenüber dem grob verkehrswidrigen Verhalten der Radfahrerin vollständig zurück (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 5.6.2012, 4 U 88/11, NJW 2012 S. 3249).
Verkehrssicherungspflichten gegenüber Fahrradfahrern
Radwege sind oft uneben und deshalb gefährlich. Deshalb muss vor Gefahrenstellen zumindest durch Gefahrzeichen gewarnt werden, damit sich der Radler auf die Fahrbahnverhältnisse einstellen kann (BGH, Urteil vom 13.7.1989, III ZR 122/88, NJW 1989 S. 2808).
Fehlt ein derartiger Hinweis und stürzt ein Fahrradfahrer an einer gefährlichen Stelle, besteht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde. Dem steht nicht entgegen, dass es möglicherweise an der fraglichen Stelle bisher noch nicht zu Unfällen gekommen ist (KG Berlin, Urteil vom 16.7.2010, 9 U 103/09 ).
5.4. Das Radfahren und der Alkohol
Betrunken Fahrrad zu fahren, ist ebenso wenig erlaubt wie betrunken Auto zu fahren – jedenfalls dann, wenn dadurch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Radler relativ fahruntüchtig oder absolut fahruntüchtig ist.
Relativ fahruntüchtig ist ein Radler, wenn es zum Beispiel zu einem Unfall kommt. Dann trifft den trinkfreudigen Radler nicht nur ein Mitverschulden, er läuft auch Gefahr, sich nach § 315c StGB wegen Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar zu machen.
Ist der Radler absolut fahruntüchtig, hat also 1,6 ‰ und mehr im Blut, kommt es nicht auf Unsicherheiten und Folgen an. Hier macht er sich auf jeden Fall strafbar – und zwar nach § 316 StGB wegen Trunkenheit im Verkehr. Die Strafe fällt allerdings wegen der geringeren Gefährlichkeit des Radfahrens im Normalfall niedriger aus als bei einem Autofahrer.
Was dem Radfahrer im Gegensatz zum Autofahrer nicht passieren kann, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt durch den Strafrichter (§ 69 StGB). Denn diese Maßnahme setzt eine rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges
voraus.
Wichtig: Nicht ausgeschlossen ist die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Führerscheinbehörde. Denn wer in stark alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilnimmt, ist möglicherweise auch zum Autofahren ungeeignet (BVerwG, Urteil vom 21.5.2008, 3 C 32/07, NZV 2008 S. 646). Hier muss man damit rechnen, dass die Verwaltungsbehörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (kurz MPU) anordnet, den allgemein gefürchteten Idiotentest. Wer sich hier weigert, hat von vornherein verloren.
5.5. Wenn Sie andere Fortbewegungsmittel nutzen
Pedelecs und E-Bikes bis 25 km/h
Pedelecs kombinieren den Antrieb durch Treten, also per Muskelkraft, mit einem maschinellen, während bei E-Bikes auch ohne Treten durch Gasgeben am Lenker Geschwindigkeit aufgenommen werden kann, ähnlich wie bei einem Motorrad. Oftmals werden die beiden Begriffe aber auch synonym verwendet.
Ob solche Gefährte noch als Fahrrad oder schon als Kraftfahrzeug i.S.v. § 24a StVG eingestuft werden, hängt entscheidend von der möglichen Höchstgeschwindigkeit ab. Regelt der Motor bei 25 km/h ab, wird das Pedelec wie ein Fahrrad behandelt. Es besteht somit kein Mindestalter und weder eine Versicherungs-, noch eine Führerschein- oder Helmpflicht und Sie dürfen (bzw. müssen) überall dort fahren, wo auch ein Fahrrad fahren darf.
S-Pedelecs und E-Bikes bis 45 km/h
Bei der Anschaffung eines besonders leistungsstarken sogenannten S-Pedelecs oder eines E-Bikes, das schneller als 25 km/h fährt, werden Sie von der Rechtsprechung als Kraftfahrer angesehen. Dadurch kann die rechtliche Beurteilung im Straßenverkehr teilweise deutlich anders ausfallen.
Ein E-Bike-Fahrer, der mit 0,8 ‰ erwischt wurde, erhielt zunächst eine Geldbuße in Höhe von € 750,– und ein 3-monatiges Fahrverbot. Der Einspruch des Mannes gegen das Urteil war erfolgreich. Begründung: Das Führen eines Kraftfahrzeugs stellt im Gegensatz zu einem Fahrrad höhere Leistungsanforderungen an den Fahrer. E-Bikes, die eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen und eine elektronische Anfahrhilfe eingebaut haben, sind noch keine Kraftfahrzeuge im Sinne des StVG. Folglich gilt nicht die 0,5 ‰-Grenze für Kraftfahrer, sondern die höhere Promillegrenze von 1,6 ‰ für Radfahrer (OLG Hamm, Beschluss vom 28.2.2013, RBs 47/13).
Als Kraftfahrzeuge benötigen sie ein eigenes Versicherungskennzeichen, dürfen erstab 16 Jahren gefahren werden und setzen eine Fahrerlaubnis der Klasse M für Kleinkrafträder voraus. Beim Autoführerschein ist diese Klasse inbegriffen.
Gefahren werden muss auf der Straße, Radwege sind tabu. Nur außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Radwege mit Zusatzkennzeichen Mofa frei benutzt werden. Außerdem gilt eine Helmpflicht. Verwarnungs- oder Bußgelder fallen in der Regel doppelt so hoch aus wie für Radfahrer.
Tretroller und Inlineskates, Skate-, Long- und Waveboards
Diese nicht motorbetriebenen Fahrzeuge gelten als sogenannte »Besondere Fortbewegungsmittel« ( § 24 StVO ). Benutzen Sie diese, werden Sie als Fußgänger eingestuft, sodass Sie den Gehweg benutzen müssen. Hier haben Sie Ihre Geschwindigkeit entsprechend anzupassen und auf Fußgänger zu achten.
Bisweilen sind Radwege durch eine entsprechende Beschilderung (»Inlineskater frei«) auch für Inlineskater freigegeben. Da Inlineskater wie Fußgänger behandelt werden, gilt für Sie das Rechtsfahrgebot nicht ( OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.7.2011, I-1 U 242/10 ).
Nur im Rahmen von speziellen Veranstaltungen, wie etwa bei von der Polizei genehmigten »Blade Nights«, dürfen Inlineskater Straßen und Wege ohne Einschränkungen nutzen.
Hoverboards und Elektro-Roller
Hoverboards sind elektrisch betriebene Bretter mit zwei Rädern, die mittels Gewichtsverlagerung gesteuert werden. Sie benötigen eine extra Zulassung für den Straßenverkehr, wenn sie schneller als 6 km/h fahren können.
Da es derzeit (noch) keine Zulassung für solche schnellen Hoverboards gibt und auch die meisten elektrischen Tretroller nicht für die Nutzung im Straßenverkehr zugelassen sind, dürfen Sie damit nur auf Privatgelände fahren. Andernfalls riskieren Sie ein Bußgeld sowie einen Punkt in Flensburg wegen fehlender Betriebserlaubnis.
Segways
Segways sind sozusagen Hoverboards mit einer Lenkerstange. Sie gelten als sogenannte »Mobilitätshilfen« und müssen bestimmte Auflagen erfüllen. Dazu zählen vernünftige Bremsen, ausreichende Beleuchtung sowie ein Kennzeichen. Für Segways gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h.
Wenn Sie damit fahren möchten, müssen Sie 15 Jahre oder älter sein und zudem eine Mofa-Prüfbescheinigung vorweisen können. Mit einem Segway müssen Sie, sofern vorhanden, den Radweg benutzen, ansonsten die Straße. Es gilt ein striktes Rechtsfahrgebot.
Für geführte Segway-Touren, beispielsweise für Touristen, kann eine entsprechende Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Dann darf unter Umständen auch in der Fußgängerzone gefahren werden.
Auch bei der Fahrt auf einem Segway müssen Sie nüchtern sein. Andernfalls droht Ihnen, je nach Alkoholgehalt, der Entzug der Fahrerlaubnis (OLG Hamburg, Beschluss vom 19.12.2016, 1 Rev 76/16).
VI. Verkehrsverstöße: Wie teuer kommen sie den Radler?
Die von Radlern begangenen Straßenverkehrsverstöße können ebenso mit Verwarnungsgeldern und Geldbußen geahndet werden wie bei Kraftfahrzeugfahrern. Ihre Sünden sind allerdings nicht ganz so teuer, in der Regel sind 15,00 € fällig, sofern der Bußgeldkatalog nichts anderes vorsieht (§ 2 BKatV).
Was die typischen Missetaten von radelnden Verkehrssündern im Einzelnen kosten können, entnehmen Sie bitte der nachfolgenden Übersicht:
Verstoß | Euro |
---|---|
Nicht verkehrssicheres Fahrrad | |
Fahrrad ohne oder mit nicht funktionierender Beleuchtung – mit Gefährdung anderer – es kam zum Unfall |
25,00 35,00 |
Rennrad bis 11kg ohne erforderliches Licht | 20,00 |
Sie führten ein Fahrrad ohne die vorgeschriebene seitliche Kenntlichmachung, § 67 Abs. 7 StVZO |
|
(Zur seitlichen Kenntlichmachung sind zwei gelbe Speichenrückstrahler um 180° versetzt und/oder ringförmig retroreflektierende weiße Streifen je Rad vorgeschrieben.) | |
Fahrrad ohne funktionierende Bremsen | 10,00 |
Fahrrad ohne Klingel | 15,00 |
Fahren | |
– ein Mobiltelefon aufgenommen oder gehalten – sich an ein anderes Fahrzeug angehängt – freihändig gefahren – die Füße von den Pedalen genommen | 25,00 5,00 5,00 5,00 |
Rotlicht missachtet – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 60,00 100,00 120,00 |
Rotlicht, das bereits länger als eine Sekunde dauert, missachtet – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 100,00 160,00 180,00 |
Überqueren eines Bahnübergangs trotz geschlossener Schranke | 350,00 |
Radwegbenutzung | |
Radweg nicht benutzt – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 20,00 25,00 30,00 35,00 |
Radweg in nicht zugelassene Richtung benutzt – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 20,00 25,00 30,00 35,00 |
Radfahrer und Fußgänger | |
Fußgängerbereich befahren – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 15,00 20,00 25,00 30,00 |
In einem Fußgängerbereich (Zeichen 239 oder 242/243 mit Zusatzschild), in dem Fahrzeugverkehr zugelassen ist, – mit mehr als Schrittgeschwindigkeit befahren – einen Fußgänger gefährtdet |
30,00 |
Die auch für Radfahrer geltende Rotlicht-Ampel für Fußgänger missachtet | 60,00 |
Straßenbenutzung | |
Entgegen der Einbahnstraße gefahren – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 20,00 25,00 30,00 35,00 |
Busspur verbotswidrig benutzt – andere behindert | 15,00 35,00 |
Befahren eines für Fahrräder gesperrten Bereichs – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall |
20,00 25,00 30,00 |
Beim Vorhandensein einer Schutzstreifenmarkierung gegen das – und behinderten dadurch andere – und gefährdeten dadurch andere – es kam zum Unfall |
20,00 25,00 30,00 |
Wird am rechten Fahrbahnrand ein Schutzstreifen für Radfahrer so markiert, dann dürfen andere Fahrzeuge die Markierung bei Bedarf überfahren; | |
Als Radfahrer nebeneinandergefahren und – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall |
25,00 30,00 |
Fehler beim direkten oder indirekten Linksabbiegen – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall |
20,00 25,00 30,00 |
Als Radfahrer die Straße benutzt, obwohl diese gesperrt war – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 15,00 20,00 25,00 30,00 |
Verbot der Einfahrt nicht beachtet – andere behindert – andere gefährdet – es kam zum Unfall | 20,00 25,00 30,00 35,00 |
Personenbeförderung auf dem Fahrrad | |
Eine über 7 Jahre alte Person auf einem einsitzigen Fahrrad befördert | 5,00 |
Kind ohne Sicherheitsvorrichtung auf dem Fahrrad befördert | 5,00 |